Donnerstag, 24. Juni 2010

FOCUS AFRICA - Nicht nur ein Blick auf die Fußball-WM 2010 (5): ANGRIFF vor ANPFIFF

 English version: Attention & Respect: Encounter: A beerbottle, a young African man and little old me


Zum Warten auf den Bus hatte ich mich an diesem heißen Spätnachmittag auf die Bank im dafür vorgesehenen Häuschen gesetzt. Um mich herum flutete der Berliner Berufsverkehr, jede Menge Deutschland-Fahnen, -Flaggen und Fläckchen bestimmten das Straßenbild in Berlins City wenige Stunden vor dem Anpfiff des WM-Spiels Ghana gegen Deutschland.

Irgendjemand hatte auf einem Sitz im Wartehäuschen eine leere Bierflasche stehen gelassen. Na, dachte ich gerade noch, hoffentlich wirke ich jetzt nicht wie 'ne alte Schnapsdrossel - so müde und erschöpft wie ich mich fühlte in der asphalt-flirrenden Hitze und den Abgas-Odeur der Großstadt.

Der junge Schwarze Mann kam, sanfte Kurven - zum Ausweichen vor den Passanten und den Straßenschildern - ziehend, auf einem Fahrrad auf dem Bürgersteig auf mich zu. Vor mir hielt er an und fragte, ob das meine Flasche sei, was ich ich sofort verneinte. Also war ich doch tatsächlich mit dieser doofen Bierflasche in offensichtliche Verbindung zu bringen, dachte ich noch - als ein Bus um die Ecke bog. "Nein, die können Sie mitnehmen!" rief ich dem jungen Mann noch zu und stand schnell auf, um die paar Schritte zur Haltestelle zu gehen, meine Gedanken schon beim Einsteigen und meiner nächsten Destination.

"Bitte, nein!", sagte der junge Afrikaner ganz sanft und mit einem schüchternen Lächeln, dazu machte er eine beschwichtigende Handbewegung. "Bitte, keine Angst haben, ich nehme nur die Flasche!" Ich muß ihn wohl ziemlich entgeistert angeschaut haben, weil ich zunächst seinem Gedankengang gar nicht folgen konnte - und weil ja der Bus schon vorfuhr. "Nein, ich habe keine Angst! Ich wollte nur nach meinem Bus schauen....!," habe ich schnell geantwortet - und spürte schon im gleichen Augenblick die Unmöglichkeit, die Ungeheurlichkeit dieses Moments, der einen Wimpernschlag später auch schon verflogen war.

Die Busfahrt über versuchte ich zu ergründen, was denn dieses Besondere eigentlich gewesen war. Ich hatte einen jungen Afrikaner in Berlin gesehen, der offensichtlich die Straßenpapierkörbe nach Flaschen absuchte. Das tun hier mittlerweile viele Menschen - und lange schon sind das keine offensichtlich Obdachlosen mehr: Rentnerinnen, sauber und geschmackvoll angezogen, Kinder, die sich was kaufen wollen außer der Reihe und ganz normale Mittelstandsmänner, die dann schnell so tun, als sei ihnen was in den Papierkorb gefallen, das sie jetzt suchen müssen.

Gut, Afrikaner waren mir bislang in diesem Zusammenhang noch nicht aufgefallen, aber das war ganz sicher nicht von Bedeutung. Tatsache war aber, dass der junge Mann ganz offensichtlich davon ausgegangen war, dass ich Angst vor ihm hätte, weil ich schnell aufgestanden war, als er sich mir und der Bierflasche genähert hatte. Ob er meine schnelle, verlegene Entgegunung überhaupt gehört hatte, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Eines aber wusste ich genau: Was immer ich auch sonst gesagt hätte, es wäre nicht ausreichend gewesen. Es hätte Zeit gebraucht und ein richtiges Gespräch, um sich soweit anzunähern, dass eine Verständigung jenseits der Betroffenheit und der Angst - welcher Art auch immer - möglich gewesen wäre.
Ich hätte mich gern mit ihm unterhalten, dem jungen Mann aus Afrika, denn er muß ein sehr netter und sensibler Mensch sein: hat er mich fremde, ältere Frau doch vor meiner eigenen Angst (vor ihm!) schützen wollen.

Als ich noch in der selben Nacht am PC über folgende Meldung der Polizei stolperte, habe ich die Komplexität, den Irrwitz dieses besonderen Augenblicks am Nachmittag aber erst wirklich erkannt: ER hätte es sein müssen, der sich fürchtet. Und ich hätte es sein müssen, die sich ihm zuwendet - um ihn zu schützen. Und/oder um ihm zu erklären, warum es so ist, dass sich junge Afrikaner und andere Schwarze Menschen (mitten im geschäftigen Berlin, umgeben von unzähligen Leuten in der abendlichen U-Bahn) in meinem Land fürchten müssen. Vor verrückten Schlägern - und vor der Deutschen Polizei.

Aber ich kann es mir ja selber nicht erklären.

Pressemeldung der Berliner Polizei

Eingabe: 23.06.2010 - 12:40 Uhr

Mann fremdenfeindlich beleidigt und geschlagen

Mitte

# 1849

Zwei Männer haben gestern Abend in Gesundbrunnen einen Afrikaner fremdenfeindlich beleidigt und anschließend geschlagen.
Anlässlich des bevorstehenden WM-Vorrundenspiels zwischen Deutschland und Ghana machten die beiden betrunkenen Männer im Alter von 42 und 43 Jahren im U-Bahnabteil der Linie U8 lautstark abfällige Bemerkungen über Afrikaner und beleidigten den ebenfalls im Waggon sitzenden 31-Jährigen wegen seiner Hautfarbe. Als der Mann den Zug gegen 20 Uhr 15 am U-Bahnhof Osloer Straße verlassen wollte und dabei einen der beiden „Pöbler“ anrempelte, schlugen die Täter mit Fäusten auf ihn ein. Nachdem die Schläger sich anschließend entfernen wollten, zerschlug der 31-Jährige eine Flasche, verfolgte und bedrohte sie. Alarmierte Polizeibeamte beruhigten kurz darauf die Situation und nahmen die 42- und 43-Jährigen fest. Nachdem bei ihnen eine Blutentnahme vorgenommen wurde, kamen sie wieder auf freien Fuß. Gegen sie wird nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung ermittelt. Gegen den 31-Jährigen, der sich (?) bei den Angriffen leicht verletzte, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung eingeleitet.

Mein Kommentar: 
Eigentor und Abpfiff für Deutschland!!!




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