Die ganze Welt blickt nach Afrika in diesen Wochen der Fußball-Weltmeisterschaft, alle wollen sie teilhaben an der angeblich größten Party aller Zeiten. Spaß und Spiel am Kap also, wohin auch immer das Reporterauge dort blickt, und ausgelassene Fanfeste und -meilen rund um den Globus.
Ist das wirklich so, bzw. ist das die ganze Wahrheit?
Wenn man genau hinsieht und hinhört, dann kann man auch deutlich andere Eindrücke bekommen von Afrika und seinen Menschen - dann werden die Gastgeber dieser WM keine bunten Abziehbilder, keine lauten, vuvuzela-trötenden Exoten und auch keine armen Township-Schlucker bleiben.
Eine große Chance ist das - für uns hier vor allem, aber auch für die Afrikaner, denn noch nie gab es soviel geballte Berichterstattung vom Kontinent der Schwarzen, noch nie konnte der interessierte Europäer soviel Echtzeit-Leben nachlesen und anschauen wie in diesen Tagen in unseren Medien. Lange wird dieser Hype nicht andauern - schon jetzt, nur eine knappe Woche nach dem Anpfiff der WM, werden die begleitenden Berichte aus Südafrika deutlich weniger, der Blick ist wie eh und je nur noch auf die Mannschaften und das umkämpfte Leder gerichtet.
Genau die richtige Zeit also, von dieser Stelle aus den Blick langsam und sorgfältig durch Afrika bis hinunter zum Kap wandern zu lassen, um so Dinge zu erfahren, die das Leben der Menschen dort ausmachen und prägen. Natürlich werden auch diese in den letzten Wochen in den Medien gesammelten Artikel nur Schlaglichter sein können, aber sie haben jetzt - wo die Medienmeute schon weitergezogen ist - genug Zeit und Raum, um wirken zu können.
Ein Beispiel?!
Nun, stellen Sie sich doch einfach mal vor, Sie haben am Samstagabend zusammen mit Freunden die WM-Spiele angeschaut, haben vielleicht gegrillt dabei und ein bisschen mit Bier angestoßen und mehr oder weniger ausgelassen Deutschlands Tore gefeiert. So oder so ähnlich wird es wohl gewesen sein. Ist es für Sie auch nur im Entferntesten vorstellbar, dass diese nette WM-Party plötzlich je und laut von einer Gruppe bewaffneter Männer unterbrochen wird, die das Fernsehgerät und alles, was sonst noch in der Nähe ist, mit ihren Waffen zerschlagen? Dann prügeln sie auf Sie und Ihre Freunde ein, schießen schließlich ohne Vorwarnung mitten in Ihre Gruppe...
Zwei Ihrer Freunde bleiben tot am Boden liegen, alle anderen werden blutüberströmt weggebracht - wohin und was mit Ihnen geschehen wird, das weiß in diesem Augenblick niemand zu sagen. So geschehen letzten Samstagabend bei Fußball-Fans in Afrika: WM- und vielleicht ja sogar Deutschland-Fans, die nichts anderes gemacht haben, wie Sie und Millionen andere Zuschauer auch - nur sind diese Menschen deshalb gestorben.
Somali Soccer Fans Executed For Watching World Cup
From HuffPost.com:
Gunmen believed to be from a radical Islamic group in northeast Mogadishu, Somalia, shot two people dead during an impromptu raid on a house where people were watching a World Cup match Saturday night, Reuters reports.
A witness told reporters that masked militants “stormed into the house” and open fired at the World Cup viewers, killing two instantly. The militants rounded up about 10 other fans, but left the bodies in the home, the witness said.
The incident came on the heels of a national ban on viewing “un-Islamic” World Cup games made by the local militia group al Shabaab, which controls much of south and central Somalia by force. By al Shabaab’s logic, the championship interferes with the group’s plan to overthrow the government, because Somali citizens are too preoccupied with the games to fight on their behalf.
Other militant groups have also professed their disapproval of the World Cup.
Somalia verbietet Fußball: Todesstrafe für WM-Gucker
TAZ.de
...Die Männer schlichen sich im Schutz der Dunkelheit in die Häuser von Freunden in Afgooye am Rand der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Es war Samstagabend, das Spiel Deutschland gegen Australien wurde angepfiffen. Der Ton war leise gestellt. Doch die islamistische Miliz Hizbul Islam ließ sich nicht täuschen. Kurz nachdem Lukas Podolski das erste Tor geschossen hatte, stürmten die schwerbewaffneten Männer in die Hütten und nahmen die dreißig WM-Fans fest. Ihnen drohen harte Strafen wegen "unmoralischen Verhaltens"....
...Es ist nicht das erste Mal, dass die an sich fußballbegeisterte somalische Nation eine Weltmeisterschaft verpasst. Vor vier Jahren zur WM in Deutschland hatten bereits die damals regierenden Islamischen Gerichtshöfe die öffentliche Ausstrahlung von Fußballspielen verboten. Mogadischus Kinos, in Wirklichkeit kleine Bretterverschläge mit einem Fernseher darin, wurden gestürmt und dem Erdboden gleichgemacht. Inzwischen sind die Islamisten gespalten, ein gemäßigter Flügel bildet eine völlig machtlose Regierung, die Radikalen kämpfen gegen sie und gehen noch härter vor. Seit Beginn der WM am Freitag sollen sie bereits mindestens zwei Zuschauer erschossen haben. Dutzende wurden verhaftet. Ab Mittags kontrollieren Patrouillen die Wohnviertel von Mogadischu auf der Suche nach Zuschauern. Die Verdächtigen sind leicht zu finden: Nur wenige Somalis besitzen eine Satellitenschüssel und den Generator, den man für die Stromerzeugung braucht.Einzig Somalias relativ machtlose Übergangsregierung steht hinter den Fans. Doch die kontrolliert nur den internationalen Flughafen und einige wenige Straßenzüge von Mogadischu. Auf dem Flughafen errichtete am Wochenende der somalische TV-Sender Shabelle eine improvisierte Regie samt Sendemast. Die Journalisten waren mitten in der Nacht aus ihren Büros am Bakara-Markt, der von den Islamisten kontrolliert wird, geflohen."Die Menschen würden gerne die WM verfolgen, aber praktisch hat kaum jemand eine Chance", sagt Ali Yasin Gedhi von der Menschenrechtsorganisation Elman Peace Centre. "Ein paar arabische Pay-TV-Kanäle übertragen die Spiele, aber das kann sich kaum jemand leisten - und das letzte unzerstörte Kino K5 ist viel zu klein, um den Tausenden Platz zu bieten, die Interesse hätten." Manch ein Somali versucht deshalb trotz des Verbots, sich aus Altmetall eine improvisierte Satellitenschüssel zu basteln, aufgemotzt mit unter der Hand verkauften Elektronikbauteilen.
Somalia: Risking Life and Limb for Football
by Abdurrahman Warsameh/AllAfrica.com
"Some people think football is a matter of life and death. I assure you, it's much more serious than that," former Liverpool manager Bill Shankly once said. Uncomfortably close to a bald statement of fact for fans of the beautiful game in Somalia, who risk their lives to watch the World Cup unfolding in South Africa.
In the final weeks before the tournament kicked off on Jun. 11, demand for satellite dishes was high. But the Islamist groups that control much of the country have declared the World Cup un-Islamic, threatening dire consequences for anyone found watching....
But two people watching the game in a private home in another part of the capital Mogadishu were reported to have been killed by militants Jun. 12. Other reports from north-east of Mogadishu say Hizbul-Islam arrested 10 people who were watching Nigeria play Argentina.
But Somalia is a football-mad nation. Despite almost twenty years of civil strife in Somalia, football continues to be not only watched, but played and enjoyed in the east African country.
Daily clashes between the warring sides are the norm for Mogadishu, but it is not unusual to find young footballers playing in deserted neighborhoods while fighting is goes on in other parts of the city.
Games organised by the Somali Football Federation (SSF) between local football clubs are watched by fanatic supporters in spite of the prevailing insecurity in the capital.
"Nothing will stop us from playing football which is loved by many people in this country," Shafii Mohyadeen, SFF spokesman told IPS."
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