Die ungewöhnlich differenzierte Rezension des ZDF-Films "Emmas Geheimnis" - Montag, 17. Mai 2010 um 20 Uhr 15 - bringt uns dazu, den "Tagesspiegel"-Artikel von Von Verena Friederike Hasel hier in vollem Wortlaut zu veröffentlichen. Nicht nur, weil die Autorin auf einen offensichtlich bemerkenswert "anderen" Fernsehfilm hinweist, sondern weil sie eindringlich zu vermitteln weiß, warum die meisten deutschen Afrika-Filme so unsagbar eindimensional und oberflächlich sind. Vielen Dank dafür!
Frauen, weiß und schwarz
„Ellas Geheimnis“ mit Hannelore Hoger ist ein etwas anderer Afrikafilm.
Es ist eins der großen ungelösten Rätsel unter deutschen Fernsehmachern. Ein Afrikafilm jenseits des „Jenseits von Afrika“-Klischees, wie in aller Welt soll das gehen? Heute bietet das ZDF einiges auf, um seinen Zuschauern einen Zugang zu präsentieren. Allein der Titel weckt Hoffnung. „Ellas Geheimnis“, das klingt angenehm bescheiden im Vergleich zu Filmen aus den vergangenen Jahren, die schon in ihren Titeln wie „Afrika, mon amour“ oder „Afrika, wohin mein Herz mich trägt“ gleich den ganzen Kontinent umspannen wollen.
Außerdem führte Rainer Kaufmann, verantwortlich für den Fernseherfolg „Marias letzte Reise“, Regie. Die Rolle der Ella spielt Hannelore Hoger, in ihrer Herbheit der beste Schutz gegen das Schmonzettenrisiko. Und ihr ist es zu verdanken, dass man mitunter glaubt, mit „Ellas Geheimnis“ sei wirklich eine neue Art von Afrikafilm geglückt. Etwa als Ella anlässlich der Beerdigung ihrer Schwester nach 40 Jahren das erste Mal wieder in ihre Heimat Afrika kommt, den Blick über die Teefarm ihrer Familie schweifen lässt und anstatt feuchte Augen zu bekommen, kühl bemerkt: „Ich hatte ganz vergessen, wie scheußlich es hier ist.“
Gute Erinnerungen hat Ella wahrlich nicht an Afrika. Nahe Kapstadt aufgewachsen, liebte sie in ihrer Jugend einen Schwarzen. Doch die Apartheitsgesetze verboten eine solche Verbindung, er kam ins Gefängnis, wurde zu Tode gefoltert. Ella gab das Kind, das sie von ihm bekam, zur Adoption frei und floh dann nach Deutschland. Dorthin will sie auch nach der Beerdigung ihrer Schwester schleunigst zurück, doch es passiert, was immer geschieht, wenn (deutsche) Frauen zur besten Sendezeit nach Afrika gehen: Der Kontinent lässt sie einfach nicht mehr los.
Den üblichen Vorwurf, dass die Schwarzen als Statisten fungieren, kann man der Drehbuchautorin Stefanie Sycholt nicht machen. In „Ellas Geheimnis“ spielt die Afrikanerin Saartjie (Mary Twala) eine wichtige Rolle. Sie ist Dienstmädchen auf der Teefarm und seit kleinauf Ellas Vertraute, entbindet sogar deren Tochter und soll für sie Adoptiveltern suchen. 40 Jahre später treffen Saartjie und Ella erneut aufeinander, und zunächst will Saartjie Ellas Frage, wo ihre Tochter damals hinkam, nicht beantworten.
Im Grunde genommen geht es in dem Film um Saartjies und nicht um Ellas Geheimnis und deshalb ist es eigentlich auch Saartjie, die das Potenzial zur Protagonistin in sich trägt. Doch für einen Film mit einer schwarzen Hauptfigur war das deutsche Fernsehen, das ZDF wohl nicht bereit.
Am Ende wird Saartjie Ella das größte persönliche Opfer bringen, zu dem eine Frau fähig ist. Damit entspricht sie mit jeder Faser dem Bild des treu ergebenen schwarzen Bediensteten. So haben die Macher von „Ellas Geheimnis“ zwar das Blixen-Klischee erfolgreich gemieden, sind dafür aber in die Onkel-Tom-Falle getappt. Verena Friederike Hasel
„Ellas Geheimnis“, Montag, 20 Uhr 15, ZDF
Foto: Teilhaberinnen. Ella (Hannelore Hoger, links) und Saartjie (Mary Twala) verbindet ein lange verschwiegenes Geheimnis. F. : ZDF - Foto: Charlie Sperring /Danke schön!
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