Mittwoch, 27. Oktober 2010

Wie wirksam kann das neue deutsche Gesetz zur ZWANGSEHE sein?

Frau in Senegal, 2004/Bernard bill5 /
Creative Commons Attribution-Share Alike
Wikimedia Commons


Da das in letzter Zeit in Deutschland sehr kontrovers diskutierte Thema Integration ohnehin zu unseren Blog-Basics gehört, möchten wir den heute erschienenen "tagespiegel.de"-Artikel von Tissy Bruns zum Kernthema "Zwangsehe" hier ausnahmsweise in voller Länge veröffentlichen. 
Zwangsehe wird hierzulande zwar - wenn überhaupt - hauptsächlich in Zusammenhang mit den türkischen MitbürgerInnen in Deutschland erwähnt, betrifft aber auch zahllose junge Frauen aus Afrika, deren Herkunft und kultureller Hintergrund entweder afrikanisch-muslimisch oder aber tribal-traditionell geprägt ist. Denn auch - und gerade - in Afrika gehören Zwangsehen für Frauen und Mehrfach-Verheiratungen der Männer - Polygamie also, dialektisch auch drastisch als "Vielweiberei" bezeichnet - zum traditionell geprägtem Alltag. Das führt dann auch hier in Deutschland - z.B. bei Asylverfahren oder Unterhaltsstreitigkeiten - oft zu rechtlichen Komplikationen allgemeiner Art, vor allem aber zu einer massiven Rechtsunsicherheit der betroffenen Frauen.


Zwangsheirat: Endlich ausdrücklich verboten
von Tissy Bruns/ tagesspiegel.de/Meinung - Kontrapunkt


Zwangsheirat: Endlich ausdrücklich verboten


Tissy Bruns erklärt in ihrem heutigen "Kontrapunkt", warum das neue Gesetz gegen Zwangsheiraten keine Kosmetik ist, sondern überfällig - und die Grünen mit ihrer Kritik unrecht haben.


Zwangsheiraten sind nicht erlaubt in Deutschland. Sie können als „schwere Nötigung“ juristisch geahndet werden, die Höchststrafe liegt bei fünf Jahren. Die Grünen kritisieren deshalb die gesetzliche Neuregelung der Zwangsheirat als bloße „Kosmetik“, die heute von der schwarz-gelben Bundesregierung - als Teil des Gesetzentwurfs zur Integration - beschlossen worden ist. Tatsächlich ändert sich am Strafmaß nichts. Doch die Zwangsheirat wird zum eigenen Straftatbestand – und das ist keine Kosmetik, sondern überfällig. Sie wird endlich ausdrücklich verboten. Der humane Gehalt der gesetzlichen Neuregelung wird zudem in einer zweiten Neuregelung deutlich: Junge Frauen, die hier ausgewachsen sind und in der Türkei in eine nicht gewollte Ehe gedrängt werden, erhalten ein Rückkehrrecht nach Deutschland, das zehn Jahre gilt. Bisher ist es nach sechs Monaten erloschen.

Recht wirkt auch durch seine Normen, nicht nur wegen der Strafen, die es verhängen kann. Darauf haben die Grünen Wert gelegt, als sie um schwierige gesetzliche Neuregelungen wie die Vergewaltigung in der Ehe oder zur elterlichen Ohrfeige gekämpft haben. Vergewaltigung in der Ehe oder Gewalt gegen Kinder seien durch andere Gesetze ohnehin unter Strafe gestellt, lauteten damals die Einwände. Und problematisch sei überdies, dass die juristische Verfolgung regelmäßig an der Lebenswirklichkeit scheitern würde. Beide Einwände hatten ihren wahren Kern, so wie es einen wahren Kern hat, dass die Strafverfolgung der Zwangsheirat, ob nun als Nötigung oder als eigener Straftatbestand, schwierig ist und bleiben wird.

Muslimische Frauen und Mädchen: Die ersten und schwächsten Opfer von Integrationsverweigerung. - Foto: AFP/Zwangsheirat: Endlich ausdrücklich verboten

Trotzdem war es richtig, die Vergewaltigung in der Ehe und körperliche Gewalt als Erziehungsmittel ausdrücklich zu verbieten. Heute bezeichnen wir es als „rückständige Erziehungsmethoden“, wenn türkische oder deutsche Väter ihre Söhne prügeln. Darin spiegelt sich auch die normative Wirkung von Recht und Gesetz. Es ist noch nicht sehr lange her, dass der Satz „Eine Ohrfeige hat noch nie jemandem geschadet“ der deutsche Mainstream in Erziehungsfragen war. Oder die mütterliche Ankündigung „Warte nur, bis Vati nach Hause kommt“ als Ankündigung einer Tracht Prügel verstanden werden musste.
Das ausdrückliche Verbot von Zwangsheiraten kann einen ähnlichen Wandel einleiten, weil es die Mädchen und Frauen stärkt, die potentiell oder tatsächlich Opfer von Haltungen werden, die ihre Eltern aus ihren kulturellen Traditionen mitbringen. Erzwungene Ehen verletzten den Kern des freiheitlichen Rechtstaates, sie widersprechen Artikel 1, 2 und 3 des Grundgesetzes. Die Gleichgültigkeit, mit der die so genannte Mehrheitsgesellschaft über Jahrzehnte hingenommen hat, dass mitten in unserer Gesellschaft Grundrechte verletzt werden, ist eine der wichtigsten Ursachen für unsere Integrationsprobleme. Denn zur Integration in unser Werte- und Grundrechtssystem kann doch nur glaubhaft auffordern, wer ihre Verletzungen nicht tatenlos hinnimmt.
Die ersten und schwächsten Opfer von Integrationsverweigerung waren und sind junge muslimische Mädchen. Eine jahrzehntelange Dickfelligkeit vereint die „Multikultis“ auf der rot-grünen Seite und die schwarzen Realitätsverweigerer, die den Tatbestand der Zuwanderung zu lange geleugnet haben. Die einen dachten: Wird schon alles gut gehen. Die anderen: Die werden schon wieder fortgehen. Entgegengesetzte Haltungen, doch gleiche Wirkung. Migranten wurden weder gefordert noch gefördert. Und erst recht nicht Migrantinnen.
Sie stehen wie niemand sonst im Feuer der Konflikte zwischen tradierten Rollenerwartungen ihrer Familien und den Selbstbestimmungsversprechen unserer Gesellschaft. Sie haben am meisten zu verlieren, wenn sie sich ungewollten Rollenwartungen nicht entziehen können. Sie sind aber auch die Hoffnungsträgerinnen der Integration. Denn sie haben am meisten zu gewinnen, wenn sie gelingt. Nämlich die Freiheiten, die ihren deutschstämmigen Schwestern selbstverständlich sind, die selbst bestimmte Entscheidung über Berufswahl, Liebe, Ehe, Kinderwünsche. Deshalb ist das ausdrückliche Verbot der Zwangsheirat richtig. Nicht nur als Botschaft an diese Mädchen und Frauen, sondern als eine an alle Menschen in diesem Land gerichtete Aufforderung zur Achtung unserer Grundwerte."
Exotic Morocco. Marrakesh. Veiled Women./Steve Evans from India and USA/Creative Commons Attribution 2.0 Generic /Wikimedia Commons

Zwangsehen: Bund verbessert Opferschutz
zdf.de / Mit Material von dpa, dapd und afp


"...So sollen Zwangsheiraten künftig unter Strafe gestellt werden. Es drohen bis zu fünf Jahre Haft. Bisher können Zwangsehen nur als schwere Nötigung geahndet werden. Die Höchststrafe liegt zwar schon jetzt bei fünf Jahren, doch mit der Neuregelung wird eine juristische Verfolgung leichter. Opfer sollen besser geschützt werden: Wer im Ausland zur Heirat gezwungen wird, soll ein Rückkehrrecht bekommen. Auch Scheinehen sollen schärfer bekämpft werden. Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht soll ein Partner erst nach drei Jahren Ehe erhalten. Derzeit liegt die Grenze bei zwei Jahren...

....Grüne: Reine Kosmetik
Kritk aus den Reihen der Opposition ließ nicht lange auf sich warten. Die Grünen nannten speziell den Gesetzentwurf der Koalition gegen Zwangsheirat unnütz: "Zwangsheirat ist heute schon strafbar", sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. "Das ist kosmetische Gesetzgebung."

Beck verlangte, wer das Problem stärker angehen wolle, müsse den Opferschutz verbessern. Er warf der Koalition vor, mit geplanten Sanktionsverschärfungen gegen Integrationsunwillige von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen. "Das Reden über Sanktionsmöglichkeiten ist ein Ablenkungsmanöver, weil gleichzeitig Mittel für die Integrationskurse gekürzt werden."



Härtere Gesetze für Integration
Autor: Siegfried Scheithauer (afp,dapd,dpa,epd)/DW.de

"...Rückkehrrecht für Opfer von Zwangsheirat    

Wie angekündigt widmete sich das Kabinett auch dem Schutz ausländischer Frauen und Jugendlicher gegen Zwangsheirat und dem heiklen Thema Scheinehen. Zwangsverheiratungen galten bisher als "qualifizierte Nötigung". Nach den Vorhaben der Koalition soll die Verheiratung junger Migrantinnen gegen ihren Willen nun ein eigener Straftatbestand werden. Es drohen sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsentzug. Auch der Versuch soll strafbar sein.
Die Aufnahme ins Strafgesetzbuch ist für die liberale Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine "Klarstellung", daher auch ein "Fortschritt". Sie räumte allerdings ein, dass damit wohl "keine größere Abschreckung" verbunden sei. Auch die Strafverfolgung sei schwierig, da die Polizei auf Hinweise aus dem Umfeld des Opfers angewiesen bleibe, und in diesem Umfeld werde eine Zwangsheirat nicht als Unrecht bewertet. Zentrales Element - so Leutheusser-Schnarrenberger - bleibe die Einführung eines Rückkehrrechts für Frauen, die im Ausland in eine Ehe gezwungen worden seien.

Ausländische Familie mit Kinderwagen bummelt durch Berlin (Foto: dpa/Archiv)
Vor allem in den deutschen Großstädten haben immer mehr Bürger mittlerweile ausländische Wurzeln/Härtere Gesetze für Integration 
 Andere Koalitionspolitiker sprachen von einem deutlichen Signal, dass Zwangsverheiratung "kein Kavaliersdelikt" sei. Den Eltern müsse die "kriminelle Dimension" klar vor Augen geführt werden. 
Zur Bekämpfung so genannter Scheinehen hat sich die Regierung zudem darauf verständigt, dass eine Ehe mindestens drei Jahre bestehen muss, bevor sie einem Ehepartner aus dem Ausland zu einem eigenen "Aufenthaltstitel" verhilft. Bislang lag die Grenze bei zwei Jahren. In Härtefällen sollen Betroffene dieses Recht auch schon schneller erhalten, zum Beispiel bei häuslicher Gewalt, so der Entwurf der christlich-liberalen Koalition..." 
Wedding in Kounkane, Upper Casamance, Senegal)/ Dorothy Voorhees/ Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 
/Wikimedia Commons

Fotos: Thank you! Dankeschön!
1. Frau mit Kindern aus Senegal /Bernard bill5  / Creative Commons Attribution-Share Alike/ Wikimedia Commons/ 
GNU Free Documentation License, Version 1.2    
2. Muslimische Frauen und Mädchen: Die ersten und schwächsten Opfer von Integrationsverweigerung. - Foto: AFP/Zwangsheirat: Endlich ausdrücklich verboten/Tagesspiegel.de  
3. Exotic Morocco. Marrakesh. Veiled Women./Steve Evans from India and USA/Creative Commons Attribution 2.0 Generic /Wikimedia Commons 
4. Vor allem in deutschen Großstädten haben immer mehr Bürger mittlerweile ausländische Wurzeln / Härtere Gesetze für Integration  
5. Wedding in Kounkane, Upper Casamance, Senegal)/
Dorothy Voorhees/ Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 
/Wikimedia Commoms
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