Dienstag, 18. Mai 2010

"Im Bahnhofsviertel wurde ein Schwarzer erstochen..."



Bei diesem Todesfall stimmt vieles nicht. 

Dabei ist der Ablauf der Geschehnisse klar: Es gibt Zeugen für das, was sich vorletzten Sonntagfrüh auf offener Straße in Frankfurt abgespielt hat. Die Zeugen sagten auch aus, die Polizei ermittelte zügig und der Täter konnte nach vier Tagen gefasst werden. 

So weit so gut? Weit gefehlt!

Was sich hier einfach nicht synchronisieren lassen will, sind die Bilder im Kopf. Unsere Assoziationen, die unwillkürlich kommen, wenn wir von einem erstochenen Afrikaner im Bahnhofsviertel hören.

"Natürlich, sowas passiert ja immer wieder!"" Drogenmafia?!" "Rotlichtmillieu !?" "Beziehungstat?" Auf jeden Fall: Schwarze, die sich hier in Deutschland immer noch so benehmen, wie früher in ihrer Heimat? 

Mit dem Letzteren könnten Sie Recht haben, auch wenn ansonsten nichts, aber auch gar nichts von diesen, unseren Bildern übereinstimmt mit der Wirklichkeit.

Ja, ein junger Mann aus Afrika - aus Nigeria - ist gestorben, auf offener Straße im berüchtigten Bahnhofsviertel Frankfurts. Doch seine eigene Zivilcourage - und das locker sitzende Messer eines unberechnebaren Anderen - waren die Todesursache, denn Emeka Okoronkwo wollte mutig zwei fremden Frauen helfen, die von zwei Männern angepöbelt und angegriffen worden waren:

"...Es ist Sonntagmorgen gegen 6.40 Uhr, als Okoronkwo aus einem Lokal an der Münchener Straße kommt. Er sieht zwei Frauen, die von zwei Männern massiv belästigt werden, zögert nicht lange und stellt sich schützend vor die Opfer. Es kommt zu einem Wortgefecht, das damit endet, dass einer der beiden Angreifer ein Messer zieht und Okoronkwo einen gezielten Stich in die Herzkammer versetzt. Der Einundzwanzigjährige bricht zusammen und stirbt wenig später im Krankenhaus...."

Nur 21 Jahre wurde Emeka alt, dabei hatte der junge Mann ehrgeizige Pläne, wollte in Kürze eine Ausbildung als Hotelfachmann beginnen:

"....Im Kolpinghaus, wo der Einundzwanzigjährige gewohnt und gearbeitet hat, wird in diesen Tagen viel über den jungen Mann gesprochen, der vielen als „engagiert, freundlich und hilfsbereit“ in Erinnerung bleiben wird. Sania Zayan, die als Psychologin im Kolpingwerk arbeitet und den Nigerianer gut gekannt hat, sagt, er sei „auf dem besten Weg gewesen, dass aus ihm etwas wird“. Im September hätte Okoronkwo das Kolpinghaus verlassen, er habe schon einen Ausbildungsplatz im Ibis-Hotel in Aussicht gehabt. „Emeka wollte hoch hinaus“, sagt Zayan. „Der Ehrgeiz, den er trotz eines nicht immer einfachen Lebens an den Tag legte, war schon etwas Besonderes.“..."

Das zeigt auch die Tatsache, dass Emeka viele Freunde hat gewinnen können in seinem kurzen Leben:

"...An der Münchener Straße sind Kerzen und Blumen niedergelegt. Rote und weiße Tulpen, auch Rosen sind dabei. Freunde von Emeka Okoronkwo haben sie am Mittwoch Abend in einem Trauerzug durch die Frankfurter Innenstadt ins Bahnhofsviertel getragen. Dorthin, wo der junge Mann vor wenigen Tagen getötet worden war. Zwischen den Kerzen liegt ein T-Shirt auf dem Asphalt. Zu sehen ist ein Foto des Nigerianers und der Satz: „Egal, wo Du jetzt bist. Du bist und bleibst ein Held.“ ....
Der Tod des jungen Mannes geht seinen Freunden sogar so nahe, dass sie beschließen, den Mörder auf eigene Faust zu suchen. Sie kopieren das Phantombild, das die Polizei veröffentlicht hat, auf Flugblätter und ziehen damit durch das Bahnhofsviertel. Einmal glauben sie, den schlanken Mann mit der auffällig spitzen Nase gefunden zu haben. Sie rufen die Polizei. Ein Fehlalarm. Unterdessen arbeiten die Ermittler der Mordkommission fast rund um die Uhr. Sie gehen zahlreichen Hinweisen nach, die nach Veröffentlichung des Phantombildes eingegangen sind. Einige Hinweise sind aus ihrer Sicht vielversprechend. Keiner der Beamten zweifelt daran, dass der Mörder bald gefunden ist...."

Mord im Bahnhofsviertel: Trauer um getöteten Nigerianer
Von Katharina Iskandar / FAZ.NET

"...Das Kolpingwerk hat inzwischen auch Kontakt zur Dominik-Brunner-Stiftung aufgenommen. Denn für sie stellt sich der Sachverhalt ähnlich dar: Ein Mann will helfen und wird dafür bestraft. „Dabei ist es egal, ob das Opfer schwarz oder weiß und sich der Vorfall in einer S-Bahn oder auf der Straße abgespielt hat“, sagt der Geschäftsführer des Kolping-Hauses, Arnold Tomaschek. „Solche Vorfälle sind nie zu akzeptieren.“

Mord im Bahnhofsviertel: Mutmaßlicher Messerstecher festgenommen und geständig
Von Katharina Iskandar / FAZ.NET

"...Wie zu hören war, soll der Beschuldigte schon öfter mit Gewalttaten aufgefallen sein. In seinem Strafregister sind Delikte wie Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Bedrohung vermerkt. Immer wieder soll sich die Gewalt gegen Frauen gerichtet haben. Auch am Morgen des 2. Mai soll er gemeinsam mit einem Freund, der ebenfalls vorläufig festgenommen worden war, zwei Frauen massiv belästigt haben. Als Emeka Okoronkwo den Frauen helfen wollte, kam es nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei zu einem Gerangel zwischen den Männern. Der Komplize des Messerstechers habe Okoronkwo ins Gesicht gespuckt, woraufhin dieser sich wohl auch mit Schlägen versucht habe zu wehren. Dann soll der Eritreer ein Messer gezogen und den Nigerianer tödlich verletzt haben.
„Dass man nun mit einer Mahnwache ein Zeichen für Zivilcourage setzen will, ist eine gute Sache“, sagt der Geschäftsführer des Präventionsrats, Frank Goldberg. Unterdessen ist noch unklar, ob ein Vertreter der Stadt, wie vom Kolpingwerk gewünscht, auf der Trauerfeier von Emeka Okoronkwo Mitte Mai einige Worte sagen wird. Man wolle zunächst die Ermittlungen abwarten, hieß es aus dem Sicherheitsdezernat."
  
Ja, da tun sie sich schwer, die Offiziellen, schwer mit öffentlicher Anerkennung und mit Solidarität - so ganz anders als im letzten Jahr bei Dominik Brunner in München. 

Schließlich hat sich ja nun in Frankfurt herausgestellt - was man allgemein und insgeheim ja schon immer vermutet hat - dass auch der Messerstecher ein Afrikaner war. Da möchte man lieber nicht allzusehr einsteigen, denn "höchstwahrscheinlich war's ja doch nur wieder so ein Streit unter Ausländern, der dann wie gewohnt in Gewalt ausgeartet ist.."
 

Ja, sogar Mut und Zivilcourage werden mit zweierlei Maß gemessen in unserer Gesellschaft, die ja auch sonst fein säuberlich trennt zwischen den Deutschen und den Afrikanern, den Einheimischen und den Ausländern, den Weißen und den Schwarzen.

Ob sich die Frau Bürgermeister auch ohne das weit übers Lokale hinausgehende  Pressecho und den großen und lauten Freundeskreis von Emeka Okoronkwo zur Teilnahme an seinerTrauerfeier entschlossen hätte? 

Aber da lässt sich politisch ganz bestimmt noch was rausholen dabei...

Nach Mord im Bahnhofsviertel: Bürgermeisterin erweist getötetem Nigerianer letzte Ehre
Von Katharina Iskandar / FAZ.NET

"...Darüber hinaus wird derzeit auch eine fraktionsübergreifende Resolution vorbereitet, mit der die Stadt für bürgerschaftliches Engagement und Zivilcourage werben will. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Olaf Cunitz sagte, er sei derzeit in Gesprächen mit den Fraktionen....
Mit der Teilnahme Ebelings ist der Magistrat nicht zuletzt dem Wunsch des Kolpingswerks gefolgt. Dessen Geschäftsführer, Arnold Tomaschek, hatte schon kurz nach dem Tod des Nigerianers, der im Kolpinghaus lebte und arbeitete, den Wunsch geäußert, dass auf der Beerdigungsfeier auch ein Vertreter des Magistrats sprechen soll.
Daraufhin hatte es allerdings rund eine Woche gedauert, bis die Stadt auf den Tod des jungen Nigerianers reagierte. Auf das lange Zögern hatten viele jener Bürger mit Unverständnis reagiert, die am vergangenen Wochenende an einer Mahnwache zum Gedenken an den Nigerianer teilgenommen hatten. Es waren Vorwürfe laut geworden, dass die Stadtpolitik den Fall „nicht ernst“ nehme. Dabei sei er ähnlich gelagert wie der Fall Dominik Brunner. Der Manager hatte sich im vergangenen Herbst in München schützend vor vier Kinder gestellt und war von jugendlichen Angreifern durch Schläge und Tritte tödlich verletzt worden. Der Fall hatte bundesweit Aufmerksamkeit erregt..."


Trauerfeier für ermordeten Nigerianer: „Nicht durch Gewalt entmutigen lassen“
Von Katharina Iskandar und Eberhard Schwarz, Dreieich / FAZ.NET

"...Es ist gut zwei Wochen her, dass der 21 Jahre alte Mann aus Langen im Frankfurter Bahnhofsviertel erstochen wurde, weil er zwei Frauen helfen wollte, die von Männern belästigt worden waren. Doch erst vor wenigen Tagen hat die Stadt Frankfurt auf das Geschehene reagiert. Jutta Ebeling ist nun zur Trauerfeier gekommen. Sie teilt mit, dass man Okoronkwo inzwischen für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen habe.
In ihrer Rede sagt sie, er habe Zivilcourage gezeigt und Verantwortung für andere in Not übernommen. „Eigentlich sollte solches Verhalten selbstverständlich sein, und doch ist entschlossenes Einschreiten alles andere als selbstverständlich. Sein Tod trifft uns umso mehr, wollen wir doch in einer Gemeinschaft leben, die von Respekt, gegenseitiger Achtung und Solidarität geprägt ist.“ Dass Okoronkwo stets solidarisch gehandelt habe, bescheinigten ihm vor allem seine Freunde, Mitschüler und Mitbewohner aus dem Kolpinghaus, wo er seit einiger Zeit lebte. Der Einundzwanzigjährige sei hilfsbereit gewesen und habe Konflikte stets mit Worten, nicht mit Gewalt geschlichtet, „obwohl er auch diese Welt kannte“.
Alois Meier, Vorstand der Dominik-Brunner-Stiftung, die am Grab Okoronkwos einen Kranz niederlegen will, macht darauf aufmerksam, wie selten diese Art der Nächstenliebe noch immer sei. Eine Gesellschaft dürfe sich nicht durch Brutalität und Gewalt entmutigen lassen, sagt er. Zivilcourage müsse als zentraler Wert gestärkt werden. „Wenn das gelingt, ist auch Emeka Okoronkwo nicht umsonst gestorben.“..."

Video | Erstochen wegen Zivilcourage

Tod eines Nigerianers in Deutschland | Afrika | Deutsche Welle | 21.05.2010

Foto: Dieses provisorische Denkmal erinnert an den in Frankfurt ermorderten Nigerianer Emeka Okoronkwo, der Opfer seiner Hilfsbereitschaft und Zivilcourage wurde /Bildmaterial: dpa, F.A.Z., Foto Rainer Wohlfahrt/Danke!

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