Nun hat es in dieser Woche in Erfurt eine solche Medienkampagne gegeben. Wer sie ausgelöst hat, bleibt auch deshalb unklar, weil es bei diesem Spektakel nur Gewinner zu geben scheint, zumindest haben wohl alle Beteiligten davon profitiert. Was ich damit meine, erfahren Sie gleich - zuvor aber einen Blick per Link auf das beschriebene Medien-Phänomen, wirklich (!) nur eine Teilansicht:
Thüringen: NPD droht schwarzem CDU-Politiker - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
Thüringen: NPD bedroht und beleidigt schwarzen CDU-Politiker - Nachrichten Politik - Deutschland - WELT ONLINE
NPD greift dunkelhäutiges Mitglied der CDU in Thüringen verbal an
"Ich liebe Thüringen, ich liebe Deutschland"
Thüringen-CDU zeigt NPD an: Politiker unter Polizeischutz - taz.de
NPD bedroht dunkelhäutigen CDU-Politiker
NPD-Drohung: CDU-Politiker lässt sich nicht einschüchtern
Portrait: Ein schwarzer Thüringer | Frankfurter Rundschau - Politik
NPD-Skandal in Thüringen
Thüringen - NPD droht schwarzem CDU-Politiker - Landtagswahl Thüringen - sueddeutsche.de
NPD hetzt gegen CDU-Politiker Schall - ''Ich habe keine Angst'' - Landtagswahl Thüringen - sueddeutsche.de
"Zur Heimreise animieren" - NPD bedroht Zeca Schall - n-tv.de
NETZEITUNG DEUTSCHLAND NACHRICHTEN: NPD bedroht schwarzen CDU-Kreisrat
Polizeischutz für CDU-Wahlkämpfer | MDR.DE
NETZEITUNG DEUTSCHLAND NACHRICHTEN: Schwarzer CDUler unter Polizeischutz
Thüringen: CDU-Wahlhelfer unter Polizeischutz - Landtagswahl Thüringen - FOCUS Online
Schall zur "Heimreise animiert" - Staatsschutz ermittelt gegen NPD - n-tv.de
NPD in Thüringen: CDU-Politiker kämpft weiter | ZEIT ONLINE
Rechtsextreme Hetze: Polizei schützt schwarzen CDU-Politiker vor NPD - Nachrichten Politik - Deutschland - WELT ONLINE
CDU-Wahlkämpfer bedroht: Justiz ermittelt gegen NPD - heute.de Nachrichten
Attacken auf schwarzen Wahlhelfer: Ermittlungen gegen NPD | Frankfurter Rundschau - Politik
Staatsanwalt ermittelt gegen NPD | Afrika | Deutsche Welle | 13.08.2009
Thüringen - Fall Zeca Schall beschäftigt nun Staatsanwaltschaft - Bundestagswahl 2009 - sueddeutsche.de
Thüringen - Wie die NPD einen Politiker aus dem Land jagen will - Politik - sueddeutsche.de
Hetze gegen CDU-Wahlhelfer: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Thüringer NPD - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
Sie verstehen, worauf ich hinaus will? Viele, viele schöne Schlagzeilen und noch mehr Wirbel. Wenn allerdings der sich betroffen fühlende Bürger Genauers erfahren will über diese schlimme Geschichte, dann bleibt die Ausbeute dürftig. Ich will mal ganz optimistisch sein und annehmen, dass Sie alle Links geöffnet und dann die Artikel sorgfältig gelesen haben. Was ist denn nun aber wirklich hängengeblieben, was kommt unterm Strich denn raus?! Die CDU hat in Thüringen einen schwarzen Wahlhelfer (bzw. Politiker/je nach Link), um den sie sich Sorgen macht, weil er öffentlich verbal von der NPD bedroht worden ist. Die Partei, für die er schon lange tätig ist, hat zunächst den Staatsschutz und dann die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, es gibt Polizeischutz.
Und die NPD? Die steht zu den Bedrohungen, auch öffentlich. Sie spricht ihrerseits von "Ansprache" und"Aufforderung zum Umzug nach Afrika", und ihr Vorsitzender kommt extra angereist, um bei der angekündigten Aktion in Hildburghausen auch höchstpersönlich vor Ort zu sein.
Das alles finden Sie schrecklich, da muss man doch was tun, sagen Sie?!
Nun, ich kann Ihnen versichern, genau darauf hoffen auch alle Obengenannten, zumindest auf Ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel:
Die CDU in Thüringen ist nämlich wegen der Landtagswahl, die gleichzeitig mit der Bundestagswahl stattfindet, ziemlich unter Druck geraten, um nicht zu sagen, sie ist verzweifelt:
NETZEITUNG DEUTSCHLAND NACHRICHTEN: Thüringer CDU droht Mehrheit zu verlieren
Umfrage: Keine Mehrheit für Althaus - Wahlen 2009 - FOCUS Online
Alte Wahlkämpfer wissen, was man in einem solchen Fall tut: Man bringt Spektakuläres ins Gespräch, auch gerne all das, was sonst nur kollektives Kopfschütteln auslösen würde beim Wählervölkchen:
Wahlkampf in Thüringen - Herr Althaus und der Unfall - Landtagswahl Thüringen - sueddeutsche.de
Soli-Abschaffung: Althaus sorgt für Wahlkampf-Wirbel - Politik | STERN.DE
Wahlkampfversprechen: Althaus stellt Soli zur Disposition - Bundestagswahl - FOCUS Online
Solidaritätszuschlag: SPD zerlegt Althaus-Vorschlag - Bundestagswahl - FOCUS Online
Zunächst also erst mal was fürs Herz (der Unfall des Ministerpräsidenten, der ja nach Absprache mit allen Parteien im Wahlkampf außen vor bleiben sollte!) und dann was zum Empören (Abschaffung des Solidarbeitrags Ost). Doch beide Themen waren nicht so medienwirksam, wie diese "schöne" Geschichte mit dem schwarzen Mann. Da macht es auch nichts, dass die CDU sich sonst ja nicht so gerne zu solchen Themen äußert, dass sie in manchen Bundesländern sogar in Verdacht stehen soll, bei solchen "Vorkommnissen" (wie Überfälle, Attacken und Morde an Schwarzen oder an anders Aussehenden) gerne mal wegzuschauen zu lassen. Dafür - sagen die Betroffenen - gibt es zahllose Beispiele (die man auch per Link nachlesen kann in den Medien).
"Auf der Homepage der CDU sind bis Donnerstagnachmittag rund 600 Solidaritätsadressen eingestellt worden. Unter den ersten gut 100 kamen ganze zwei aus Thüringen, und insgesamt sechs aus den neuen Ländern. Die überwältigende Mehrheit der Ermutigungen stammt aus dem Westen." - schreibt die "Zeit online" am 13. August 2009.Wer also ist zu Schaden gekommen im Medienspektakel der letzten Woche?
Die NPD ja wohl auch nicht wirklich. Ein sehr sehr schöner Popularitäts-Hype war das doch!
Die NPD provoziert - aus Verzweiflung | Politik | Deutsche Welle | 13.08.2009
NPD stört - Demokraten wehren sich - n-tv.de
Einen besseren Wahlkampf hätte man auch mit unzähligen Dorf-Straßenfesten oder mit Konzerten der einschlägig bekannten Bands nicht machen können, denn davon hätten sehr viel weniger Menschen Notiz genommen.Und glauben Sie wirklich, dass die NPD, die ja vor allen Dingen ein öffentlich repräsentables Bild für sich anstrebt, dass ihr Vorsitzender, der sich zumindest offiziell immer von Gewalt distanziert hat, die Öffentlichkeit zu einem solchen Showdown mit Medien einladen würde? Tatsächliche Attacken finden nachts im Zug oder vor den Bahnhöfen statt oder tagsüber vor dem Supermarkt, in der Straßenbahn. Dann nämlich,wenn keine Fotografen oder Kameramänner vor Ort sind, sondern nur Menschen wie Sie und ich. Menschen, denen man Angst machen kann und die auch am liebsten selbst weglaufen möchten - und die dann später wahrscheinlich nichts gesehen oder gehört haben. Dazu noch einmal "Zeit online" vom 13. August 2009:
Und damit wären wir bei der dritten beteiligten Partei, der eigentlichen Hauptfigur, angekommen, bei dem sogenannten Opfer:"Seit der Wiedervereinigung ist der deutsche Osten ein Brennpunkt rechter Gewalt und rechter Delikte. Im Verhältnis zur dort lebenden Bevölkerung ist die Zahl rechter Delikte unverhältnismäßig hoch. Thüringen ist unter den neuen Ländern noch das mit der freundlichsten Statistik rechter Straftaten. Doch das Gefühl, dass Ostdeutschland eine No-go-Area für schwarze Menschen ist, ist inzwischen ausgeprägt, und in manchen Reiseführern wird aus guten Gründen vor dem Besuch der neuen Bundesländer gewarnt.Doch nicht nur die Angst vor gewalttätigen Übergriffen prägt den Alltag schwarzer Menschen in Ostdeutschland. Es ist die ständige latente Ablehnung, unter der sie leiden. Selbst im ziemlich bunten Berlin erleben Schwarze Dinge, die Weiße nie erleben werden. Zum Beispiel die Aufforderung eines Jobvermittlers, ein Attest beizubringen, dass der schwarze Bewerber nicht an Cholera erkrankt ist."
"Zeca Schall, 45, kam 1988 aus Angola nach Hildburghausen in Thüringen. Der Maschinenbauer ist seit 2005 bei der CDU politisch aktiv, seit einem Jahr als Integrationsbeauftragter. Momentan ist er mit Ministerpräsident Dieter Althaus auf Wahlplakaten in Thüringen zu sehen. "- schreibt "Spiegel online" und befragt den in den letzten Tagen viel Fotografierten:
SPIEGEL ONLINE: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von den Anfeindungen in der Pressemitteilung erfahren haben?Das mag ja sein, Herr Schall. Schön, dass die Menschen sich freuen und dass Sie so mutig in die Kameras lächeln und allen zeigen, dass man sich keine Angst machen lassen darf. Ich hoffe sehr, dass dieser Mut Sie nicht verlässt, wenn die Journalisten abgereist sind und wenn der Wahlkampf vorrüber ist. Ich frage mich allerdings schon, ob Sie tatsächlich die letzten zwanzig Jahre in der Mitte Deutschlands gelebt haben - und ob Sie dort Ihrer Arbeit als Integrationsbeauftragter der CDU Thüringen tatsächlich selbst nachgegangen sind. Weil ich mir eben so überhaupt nicht vorstellen kann, dass Sie da zuvor niemals mit Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen oder gar Attacken oder Gewalt zu tun gehabt haben wollen. (Sie nicht, ihre Familie nicht, ihre Freunde und Landsleute nicht, ja nicht einmal die Leute, die ihre Integrations- und Alltags-Probleme an Sie als Politiker herangetragen haben, weil sie sich Hilfe erhofft haben von Ihnen und ihrem Amt?!)?
Schall: Das war zuerst mal ein Schock - so was habe ich noch nie erlebt. Ich begreife das nicht nur als Angriff gegen mich, sondern gegen die gesamte CDU und alle demokratischen Kräfte in Deutschland.SPIEGEL ONLINE: Haben Sie jetzt Angst?Schall: Nein, Angst habe ich nicht. Es geht mir gut. Ich muss halt jetzt ein bisschen mehr aufpassen, und es ist schon ein komisches Gefühl, aber ich gehe damit sportlich um und gehe einfach weiterhin meiner Arbeit nach.SPIEGEL ONLINE: Das klingt, als seien Sie Bedrohungen durch die NPD schon gewöhnt.Schall: Nein, überhaupt nicht. Bis jetzt bin ich von Anfeindungen und Bedrohungen verschont geblieben, und ich hätte nie mit so einem Angriff gerechnet. Ich denke, das ist eine Wahlkampfmethode. Die NPD will sich jetzt vor der Wahl ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.
SPIEGEL ONLINE: Würden Sie sich nach dieser Geschichte auch bei der nächsten Wahl wieder auf Plakaten zeigen, oder wäre Ihnen das zu riskant?Schall: Nein, ich lasse mich nicht einschüchtern. Ich bin ja als Integrationsbeauftragter für die Menschen im Land verantwortlich, genauso wie Dieter Althaus habe ich die Aufgabe, für die Menschen im Land da zu sein. Deshalb bin ich zusammen mit ihm abgebildet. Die Menschen freuen sich, dass ich auf dem Plakat bin."
Wenn dem so ist, dann freue ich mich aufrichtig für Sie, Herr Schall. Meine Erfahrungen und die vieler, vieler Menschen, die ich kenne, sind andere - und das nicht nur in der Mitte Deutschlands.
Der Fall Zeca Schall: Alltäglicher Rassismus | ZEIT ONLINE
Ich würde mir dennoch wünschen, dass Sie vielleicht in Zukunft ein bisschen besser hinsehen und hinhören bei der Wahl der Menschen, mit denen Sie sich umgeben und für die Sie Ihre schwarze Haut zu Markte tragen.
Warum?
"Thüringer Bürger machten Tagesspiegel.de jetzt auf die Überklebeaktion aufmerksam. Der Pressesprecher der Thüringer CDU, Heiko Senebald, sagte dazu. "Die Plakate werden überklebt, das ist richtig. Aber das hat nichts mit der NPD zu tun."- schreibt der "Tagespiegel vom 11. August 2009.
CDU überklebt Plakate mit dunkelhäutigem Politiker
Einen schönen Wahlkampf wünsche ich noch!
UPDATE:
Thüringen: Unter Schwarzen | ZEIT ONLINE
Affäre um Zeca Schall : Althaus, die NPD und die Angst vor der Courage - Nachrichten Politik - Deutschland - WELT ONLINE
Skifahrer und Wahlkämpfer - Maulkorb für Althaus - n-tv.de
Skiunfall: Witwer findet Althaus „pietätlos“ - Landtagswahl Thüringen - FOCUS Online
Einigung mit Anwälten: Althaus muss über Skiunfall schweigen - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
Rassismus: NPD will mit ausländerfeindlicher Hetze punkten | ZEIT ONLINE
Kalkulierte Aggression
Attacken gegen Politiker häufen sich
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