Sonntag, 23. August 2009

Seh'n Se, das ist Berlin! Von der Siegesfeier direkt in den Knast! (WM 6)

Foto: Kenenisa Bekele / Faivre-Duboz / Creative Commons Attribution ShareAlike 2.0 License / Wikimedia Commons




Während man sich heute Abend überall in Berlin gegenseitig auf die Schulter klopft und sich gemeinsam über die durchaus gelungene Leichtathletik-WM freut, ging eine Meldung von Samstagnacht völlig unter im großen Freudentaumel. Demnach haben sechs Athleten aus verschiedenen Ländern die Nacht zu Sonntag in einem Berliner Gefängnis verbracht. Die jungen Männer hatten u.a.eine Gold- und eine Bronzemedaille zu feiern, was sie zusammen mit ca. 20 Freunden in einer Berliner Diskothek tun wollten. Die sechs festgenommenen Sportler kommen aus Ländern ganz unterschiedlicher kultureller Prägung - aus Kuba, von den Bahamas und aus den USA. Was sie allerdings außer dem Sport und der Feierlaune miteinander verbindet, ist ihre Hautfarbe. Sie alle sind schwarz.
Bei den zahlreichen redaktionellen Beiträgen zum WM-Ende, haben bislang nur zwei Berliner Zeitungen über den unschönen Vorfall im Bezirk Schöneberg berichtet, allerdings lehnten sich ihre Artikel sehr an den offiziellen Polizeibericht an. Niemand von den ansonsten doch sehr wohl kritischen und gut informierten Kollegen kam auf die Idee, auch mal nach der Sichtweise der betroffenen Athleten zu fragen. Kann man ja auch verstehen, wer möchte denn schon dazu beitragen, dass das gelungene Sportfest so noch in allerletzter Sekunde ins Zwielicht gerät. Vergessen hat man dabei allerdings, dass sich das korrekte Benennen des Vorfalls wohl nicht wird vermeiden lassen. Schließlich sind die Betroffenen - und alle anderen Gäste, die möglicherweise auch davon gehört haben - gerade auf dem Weg nach Hause in ihre Heimatländer. Ich möchte gar nicht wissen, was dort wohl in den nächsten Tagen in den Zeitungen stehen wird und mit welchen hässlichen Themen Deutschland und Berlin dann wieder weltweit in den Medien auftauchen werden.
Wirklich schade! Da haben sich viele Tausend Menschen sehr um ein erfolgreiches und schönes Sportereignis bemüht, nun aber wird all der Aufwand und das persönliche Engagement ad absurdum geführt. Hätte man da nicht vielleicht auch bei der Polizei ein wenig weitsichtiger und sensibler reagieren können - mit dem Blick aufs Ganze und Große?
Nein, ich bin nicht der Meinung, dass man den Vorfall hätte gänzlich unter den Teppich kehren sollen, aber auf jeder anderen Samstagabendfeierei wird heutzutage mehr getrunken, und das ganz ohne Goldmedaille im Vorfeld.
Wie leise und nüchtern ging's denn zu bei der letzten Abi-Feier, an die Sie sich erinnern, beim Polterabend, beim Betriebsausflug oder der Geburtstagsfeier von Klaus ? Ganz gleich, wie Ihre persönlichen Recherchen auch ausfallen mögen, in den Knast musste da ganz sicher niemand für.
Auch die jungen Männer vom Samstagabend wollten nur ausgelassen feiern. Sie hatten schließlich allen Grund dazu. Man hatte sie zu Hause vor ihrer Abreise nach Berlin bestimmt gewarnt, in Deutschland besonders vorsichtig zu sein außerhalb des Stadions und der Hotels. Das tut man nämlich mittlerweile überall auf der Welt, wenn nicht-weiße Menschen uns besuchen. Aber die vergangenen zehn Tage hier in Berlin - die begeisterten Zuschauer im Olympiastadion und auf den Straßen - die hatten die jungen Männer doch wohl vergessen lassen, dass sie in der Bahn, dem Bus oder vor der Disko, wo sehr gerne Schwarzen mal der Eintritt verwehrt wird, einfach nur schwarz sind.
Wie gesagt: Mehr als schade - für alle! Diese Leichtathletik-WM 2009 stand unter einem besonderen Motto, wollte sich damit ganz sichtbar abheben von den Olympischen Spielen 1936, die am selben Ort wie die WM stattfanden. Deshalb war sie dem Schwarzen Goldmedaillen-Gewinner von 1936, Jesse Owens, gewidmet. Nicht nur der US-amerikanische Leichtathletik-Verband hatte seinen Antritt in Berlin Owens gewidmet, auch den beteiligten Berlinern war die Erinnerung an den großen US-Athleten sehr wichtig. Die Enkelin des bekanntesten schwarzen Sportlers aller Zeiten war offiziell als Gast der WM eingeladen, und es entstand sogar eine Ausstellung über Owens "Kampf" - gegen die Stoppuhr, aber viel mehr noch gegen Hitler und seine braune Ideologie.
Sollte Berlin 2009 am Ende der Leichtathletik-Weltmeisterschaft nun doch wieder in den Schatten von Rassenhass, Diskriminierung oder auch ganz einfach nur stumpfer Gedankenlosigkeit geraten? Es wäre unerträglich.
Sechs WM-Athleten festgenommen
Flaschenwürfe - Sechs WM-Athleten vor Berliner Disco festgenommen - Berlin - Berliner Morgenpost


Auch bei dieser südafrikanischen Reaktion zeigt sich, dass Geschehnisse dieser Art, die in Deutschland passieren, eben anders gewertet werden. (Selbst wenn Berlin und Deutschland gar nicht dafür verantwortlich sind.)
Fall Caster Semenya: Heftige Empörung am Kap | Frankfurter Rundschau - Politik

Und so schön kann das Fazit sein:
Leichtathletik-WM: Vereinte Nationen von Berlin - Leichtathletik-WM - Sport - FAZ.NET

WM-Kommentar: Seltene Sternstunde - Der Kommentar - Sport - FAZ.NET
Kommentar - Berlin hat bei der WM wieder gezeigt, was es kann - Leichtathletik-WM - Sport - Berliner Morgenpost

UPDATE:
Verhaftete Leichtathleten: Polizei ermittelt weiter

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