"Nach dem Sieg der Südafrikanerin Caster Semenya (18) bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin über 800 Meter ist ein angeordneter Geschlechtstest der Läuferin in ihrer Heimat mit Empörung aufgenommen worden. "Das klingt nach schlimmstem Rassismus; es repräsentiert eine Mentalität, die konform mit einem weiblichen Schönheitsideal der weißen Rasse geht, meinte die Nachwuchsorganisation der an der Kap-Regierung beteiligten Kommunistischen Partei (SACP) am Donnerstag in einer Reaktion."- so beschreibt "Stern online" treffend die Reaktion in Afrika auf die Anordnung eines Geschlechtstest bei der gestrigen Goldmedaillen-Gewinnerin über 800 m Caster Semenya. Weiter heißt es in dem Bericht:
"Es zeigt, dass diese imperialistischen Länder es sich nicht erlauben können, das Talent, das Afrika als Kontinent hat, zu akzeptieren." Selbst der Gewerkschafts-Dachverband (COSATU) schaltete sich ein und kritisierte den Test. In einer Erklärung der COSATU heißt es wörtlich: "COSATU weist empört Versuche von jenen zurück, die versucht haben, ihren Erfolg durch vorgeschobene und grundlose Untersuchungen ihres Geschlecht zu untergraben."Empörung über Geschlechtstest: "Das klingt nach - Flash Player Installation
Das wirft natürlich die Frage auf, ob denn ein Gentest an sich schon rassistisch ist - oder ob der internationale Medienhype mit den Siegern und das schnelle Ausradieren der Verlierer (nicht nur hier in Berlin!) ihn erst zu so einem Instrument der Abwertung macht. Und vergessen darf man auch nicht, dass der Umgang mit Identität, mit Frauen und mit Sexualität in Afrika ein ganz anderer ist als hierzulande, in den meisten afrikanischen Ländern ist das eine sehr heikle Thematik. Außerdem ist es, wie bei jeder gewonnenen Medaille auch: Das Ding hat zwei Seiten! Da sind eben nicht nur die schwarzen Leute in Johannesburg oder Mombassa, die diese Prozedur als unwürdig und beleidigend empfinden mögen. Auch hier bei uns gibt es schließlich jede Menge Leute, die fassungslos (sprachlos, neidisch, agressiv u.s.w.) sind wegen der offensichtlichen sportlichen Überlegenheit der schwarzen Athleten/innen im Großen und Ganzen. Und auch wenn wir die unglaublichen Rekorde der letzten Tage und ihre schwarzen Halter/innen für absolut cool halten mögen (weil wir nicht an Doping glauben wollen), wieviel "positiver Rassismus" mag bei soviel Hysterie um die Sieger wohl auch mitspielen?
Die Kollegen in den Sportredaktionen jedenfalls haben fix viel Wissenswertes über Geschlechtsstests im allgemeinen und über die Diskussion um die junge Südafrikanerin im besonderen gesammelt und publiziert, vieles durchaus lesenwert:
Grenzgänger auf der Laufbahn
800-Meter-Weltmeisterin Semenya: Ist diese Lady eine Frau? - Laufen - Sport - FAZ.NET
NETZEITUNG | SPORT- Leichtathletik WM 2009, Neben der Spur: «Gott hat sie so gemacht!»
Mann oder Frau? - ZDF.de Sport
Leichtathletik-WM: Semenyas Eltern - "Unser Kind ist ein Mädchen" - Nachrichten Sport - Leichtathletik-WM - WELT ONLINE
Leichtathletik: Ist die 800-m-Weltmeisterin Semenya ein Mann? - Nachrichten Sport - Leichtathletik-WM - WELT ONLINE
Weltmeister(in) Caster Semenya: Athlet oder Athletin? | ZEIT ONLINE
Mann oder Frau? : Semenya könnte der Test selbst überraschen - Nachrichten Sport - Leichtathletik-WM - WELT ONLINE
Semenya holt Gold - unter Vorbehalt - ZDF.de Sport
Weltmeisterin muss zum Geschlechtstest
Athlet oder Athletin: Geschlechtstests
- und doch bleibt bei allen wissenschaftlichen Erklärungsversuchen ein (zumindest!) ungutes Gefühl. Die junge Frau hat schwer gekämpft, um jetzt hier vor aller Welt auf dem Siegertreppchen stehen zu können. Nun aber wird sie plötzlich weltweit als "Mißgeburt" zur Schau gestellt. Ist ihr siegreicher Kampf nun plötzlich gar nichts mehr wert, mehr noch: wird er gleichgesetzt mit Doping und Betrug? Und das nur weil ein paar Gene im Labortest plötzlich enthüllen könnten, was optisch (zumindest primär) nicht zu erkennen war und ist. Das jedenfalls versichert nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familie und ihr Umfeld glaubhaft.
Was auch immer bei dem unseligen GTest nun herauskommen wird, die schon erlittenen Beschädigungen - der Gefühle der Afrikaner, vor allem aber die Gefühle eines blutjungen, unbekannten Mädchens aus armen Verhältnissen, dass sich buchstäblich bis ganz nach vorn gekämpft und Gold für ihr Land und ihren Kontinent geholt hat! - werden sich nicht mehr ungeschehen machen lassen.
"sueddeutsche online" zeigt auf, wie die "Sache" dann wahrscheinlich ablaufen wird bei den Funktionären: kalt und ohne Skrupel, funktionell eben:
"Vor zwei Monaten war sie noch völlig unbekannt und dann solche Zeiten", sagte Geschäftsführer Weiss. Zuerst wurde Semenya auf Dopingmittel getestet, als diese negativ ausfielen, ordnete der Weltverband eine Geschlechts-Prüfung an. Dieser Vorgang läuft nach Auskunft von IAAF-Sprecher Nick Davis seit einiger Zeit, Semenya sei sowohl in Südafrika wie auch in Berlin untersucht worden. Weiss referierte, dass es Tage oder Wochen dauern könne, bis ein Ergebnis vorliege. "Sollte sich aber herausstellen, dass Semenya keine Frau ist, wird sie von der Siegerliste gestrichen."Athlet des Tages (5) - Zu schnell für eine Frau? - Leichtathletik-WM 2009 Berlin - sueddeutsche.de
Wenn Sie nun Lust haben, auch noch etwas über andere Athleten/innen aus Afrika zu hören, hier ist eine kleine Auswahl der Berichterstattung der letzten Tage:
Geheimnis der schnellen Kenianer gelüftet! | Afrika | Deutsche Welle | 20.08.2009
Bestzeiten für Westafrika
WM 2009: Sorina Nwachukwu (22) – Deutschlands schnellste 400-Meter-Sprinterin
Leichtathletik-WM in Berlin: Unsere Athleten
Äthiopier Bekele zum vierten Mal Weltmeister
Kenenisa Bekele: Schnell und unerbittlich – aber leise - Berlin, Berlin - Sport - FAZ.NET
Sprinterin Christine Ohuruogo: Das Gesicht einer Kriegerin - Berlin, Berlin - Sport - FAZ.NET
Leichtathletik: Deutsche Tugenden für Afrika - Laufen - Sport - FAZ.NET
Und ganz zum Schluß möchte ich Ihnen heute noch einen jungen Mann aus den USA näherbringen, der sich trotz aller Aufregung um ihn und seinen Konkurenten sehr unauffällig und angenehm leise verhält. Zu Beginn der Woche hatte er bei seinen Fans zwar für Enttäuschung gesorgt, weil er das nächste Sprint-Duell mit Usain Bolt absagen musste:
US-Star Gay sagt Revanche ab
Nun aber wurde bekannt, dass sich der oft als "Langweiler" betitelte Tyson Gay offensiv gegen Doping einsetzt:
"Ich kämpfe sauber“ | Amerika | Deutsche Welle | 20.08.2009
Der schnelle Langweiler
Aktualisierung am 21. August 2009
Hier sind noch einige gute Artikel über den Sex-Test und die starke afrikanische Reaktion darauf:
Jörg Winterfeldt z.B. hat in der "Welt online" einen sehr treffenden Kommentar geschrieben, den Sie unbedingt ganz lesen sollten:
Kommentar: Warum der Fall Semenya ein doppelter Skandal ist - Nachrichten Sport - Leichtathletik-WM - WELT ONLINE
"Nach der ersten Aufregung zeigen sich im Fall Semenya die beiden eigentlichen Skandale: Die IAAF hätte ihre fast noch minderjährige Athletin nie dem Druck der Öffentlichkeit aussetzen dürfen, indem sie den Geschlechtstest durchsickern ließ. Und die südafrikanischen Funktionäre hätten auf den Fall vorbereitet sein müssen.(...)Der brutale Angriff auf die Seele einer jungen Frau ist etwas untergegangen, obwohl er doch so schwerwiegend war. Denn dafür spielt es keine Rolle, wie ihr leichtathletisches Wunder zustande gekommen ist: ob sie gar gedopt wurde oder ob sie tatsächlich keine Frau ist."Caster Semenya - ein Goldmädchen?
Leichtathletik-WM: Geschlechtstest - Semenya durch Brief belastet - Nachrichten Sport - Leichtathletik-WM - WELT ONLINE
Sextest in der Leichtathletik: XY ungelöst - taz.de
Caster Semenya: Wer ist das? - Laufen - Sport - FAZ.NET
Semenya soll schon getestet worden sein - ZDF.de Sport
Die "Netzzeitung" fand noch heraus, dass das, was Caster hier in Berlin geschehen ist, zuvor auch schon anderen afrikanischen Athlethinnen passiert ist:
"Die Zeitung «Sowetan» ließ Noko Matlou zu Wort kommen, die Stürmerin des Frauen-Nationalteams Bayana Bayana. Sie hatte 2007 bei einem Länderspiel gegen Ghana ähnlich erniedrigende Erfahrungen machen müssen und riet Semenya: «Ich weiß aus eigener Anschauung, was sie durchmacht; sie weiß, wer sie ist, und obwohl es schwierig ist, muss sie die Ignoranz einfach nicht beachten und weiter machen.» (Ralf E. Krüger, dpa)"Aktualisierung am 22. August 2009:
NETZEITUNG | SPORT- Leichtathletik WM 2009, Neben der Spur: «Warum hat man mich hierher gebracht?»
Zu Caster und dem Sextest:
Mann oder Frau?: In Semenyas Dorf kennen alle die Wahrheit - Nachrichten Sport - Leichtathletik-WM - WELT ONLINE
Der Fall Caster Semenya - Südafrika will sich bei UN beschweren - Leichtathletik-WM 2009 Berlin - sueddeutsche.de
Geschlechtstest bei Semenya: Südafrika will sic - Flash Player Installation
UPdate 27.August 2009:
Fall Caster Semenya: Heftige Empörung am Kap | Frankfurter Rundschau - Politik
Geschlechtstest: Caster Semenyas Mutter hat Angst um ihre Tochter - Nachrichten Sport - Leichtathletik-WM - WELT ONLINE
NETZEITUNG | SPORT- Leichtathletik WM 2009, Neben der Spur: Rauschender Empfang für Caster Semenya
Südafrika: Empörung über Umgang mit Athletin Semenya | tagesschau.de
Leichtathletik-WM - Südafrika feiert Semenya - Leichtathletik-WM 2009 Berlin - sueddeutsche.de
Südafrikaner feiern umstrittene Weltmeisterin Semenya | tagesschau.de
Leichtathletik: Der Fall Semenya - ''Das ist eine Hetzjagd'' - Leichtathletik-WM 2009 Berlin - sueddeutsche.de
NETZEITUNG | SPORT- Leichtathletik WM 2009, Neben der Spur: Weltverband entschuldigt sich bei Semenya
Zu den afrikanischen Erfolgen:
Leichtathletik-WM: Kenianischer Doppelsieg am Brandenburger Marathon-Tor - Laufen - Sport - FAZ.NET
NETZEITUNG | SPORT- Leichtathletik WM 2009: Kenianer dominieren historischen WM-Marathon
Leichtathletik-WM: Kenianischer Marathon-Tanz - - Flash Player Installation
sportschau.de/berlin - Alle Meldungen- Kenianer Kirui gewinnt WM-Marathon
Leichtathletik - Kenianer Abel Kirui gewinnt Berliner WM-Marathon - Leichtathletik-WM - Sport - Berliner Morgenpost
Frieden mit Berlin
Kenianischer Doppelerfolg über 5000 Meter
Leichtathletik-WM: Viele Medaillen, viele Fragen | ZEIT ONLINE
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